Ihr Lieben da draußen, an alle meine Freunde, Blogger Kolleginnen, Follower, LeserInnen - ich bin sprachlos. Wirklich sprachlos, und das passiert tatsächlich sehr selten. Ich bin auch etwas emotional, ein paar Tränchen sind auch schon geflossen. Und ich habe festgestellt, wir sehr ich meinen Blog und mein Netzwerk vermisst habe.
Nachdem ich mich über längere Zeit viele liebe Nachrichten, Mails und Anrufe erreichten, ist es an der Zeit, aus meinem Exil zu kommen und auch mal hier allen "Danke" zu sagen.
Was ist passiert?
Wie einige schon mitbekommen haben, war ich einige Zeit (eigentlich eine ziemlich lange Zeit) untergetaucht. Und das aus gutem Grund, ich bin irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem ich so hätte weiter machen wie bisher (und damit wahrscheinlich an die Wand gefahren wäre) oder meinen Lifestyle komplett ändere. Das hatte ich auch schon vorher meist halbherzig versucht und zum Beispiel kleine Veränderungen in puncto Ernährung gemacht. Oder hin und wieder mal halbherzig etwas vor mich hin trainiert und mir damit selbst in die Tasche gelogen.
Ich habe Multiple Sklerose
Denn ich habe MS. Multiple Sklerose in einer ziemlich fiesen Form, der sekundär progredienten. Was bedeutet, dass ich gar keine Schübe habe, wie die meisten es vielleicht von der MS kennen. Bei mir ist der Fortschritt der Krankheit schleichend, aber ziemlich effektiv wie sich mittlerweile heraus gestellt hat. Anfangs ging es mir sehr gut und ich habe auch nach der Diagnose lange weiter gelebt wie vorher. Das hat aber irgendwann nicht mehr funktioniert - ignorieren und weglaufen war keine sonderlich gute Idee, denn nach einer Schönwetter-Phase konnte ich die Einschläge gar nicht mehr zählen, die mich trafen.
Zumal mein Tempo, Perfektionismus und der damit verbundene Stress absolutes Gift für meine MS waren. Ich habe Vollzeit gearbeitet, habe drei Kinder, einen Blog, zwei Katzen, gefühlt 100 Termine am Tag, einen große Freundeskreis, Wäscheberge, eine ziemlich große Wohnfläche, die in Schuss gehalten werden muss und Eltern, die aus gesundheitlichen Gründen Unterstützung brauchen. Und ich habe versucht, das alles komplett alleine zu wuppen und hatte auch noch den Anspruch, alles perfekt zu erledigen. Das hat nachweislich nicht funktioniert und irgendwann hat mein Körper sich einfach geweigert, das Spiel weiter zu spielen.
Anfangs waren es nur Kleinigkeiten, ich konnte nicht mehr einfach lossprinten, es fühlte sich an, als würden meine Beine festgetackert und ich müsste sie mit dem Oberkörper hinter mir herziehen. Diverse weitere Zipperlein folgten, die bei mir aber nicht so gravierend waren wie der langsame Verlust des Gehvermögens und des Gleichgewichts. Und ich war ständig müde. So richtig müde, als hätte ich tagelang nicht geschlafen und es ging fast nichts mehr. Also fing ich an, von Arzt zu Arzt zu rennen und landete irgendwann bei einem super Neurologen, der sich viel Zeit für mich genommen hat.
Ein langer Weg bis zur Diagnose Multiple Sklerose
Es hat übrigens JAHRE gedauert, bis ich die Diagnose MS per Zufall bekommen habe. Ich hatte schon deutliche Anzeichen und bin deswegen auch bei Ärzten gewesen, die mich aber alle nicht wirklich ernst genommen haben und mich mit Diagnosen wie Karpaltunnelsyndrom, Stress (na ja, sie haben ja drei Kinder....) Hashimoto Thyreoditis und psychischen Ursachen nach Hause geschickt haben. Daraufhin habe ich kapituliert und habe mit meinen damals noch ziemlich kleinen Einschränkungen einfach weiter gemacht. Nachdem ich aber beim Termin bei meiner Gynäkologin beim Versuch, im Stehen in meinen Schuh zu schlüpfen einfach umgefallen bin, wurde die Dame hellhörig und stellte mir ein paar Fragen. Ihr war wohl sehr schnell klar, was los ist und sie hat mich zur Abklärung und Diagnostik zu einem Neurologen geschickt. Und siehe da - nach einem umfangreichen MRT und einer Lumbalpunktion war die Diagnose nach ein paar Tagen da.
Medikamente und Therapien bei MS
Und danach ging es los. Krankenhaus, Kortison Stoßtherapien mit 1000 mg Kortison am Tag (!) und Verordnung von Beta Interferon, das Schübe und somit den Fortschritt der Krankheit verhindern soll und das ich mir drei Mal die Woche selbst spritzen musste. Was ich trotz Spritzenphobie stoisch über ein Jahr lang durchgezogen habe. Bis mein Arzt irgendwann auf den Trichter kam, dass ich gar keine schubförmige MS habe, sondern die progrediente, langsam fortschreitende. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass ich das Interferon gar nicht gebraucht hätte, da es nicht wirkte und absetzen sollte. Ich habe danach noch so einige Medikamente ausprobiert, aber mein Zustand wurde immer schlechter. Unter anderem habe ich Gilenya genommen, das zum Glück in Tablettenform daherkommt. Danach gab es Infusionen mit Ocrelizumab, was bei mir so rein gar nichts bewirkt hat. Außer Impfnebenwirkungen, da ich im Vorwege fast alle gängigen Impfungen in kurzem Abstand nachholen musste, sonst hätte ich das Medikament nicht bekommen. Irgendwann musste ich mich damit abfinden, dass ich einen Rollstuhl benötige, da ich mit meinen paar Metern, die ich selbst noch geschafft habe, nicht sehr weit kam.
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Und dann kam der Rollstuhl ins Haus....
Ich habe lange mit meinem Schicksal gehadert und mich geweigert, den Rollstuhl zu akzeptieren, zumal ich bis dahin wie ein Brummkreisel durch mein Leben gerast bin. Und plötzlich wurde ich ganz unsanft und böse ausgebremst. Trotz Gejammer und Selbstmitleid bin ich aber selbst irgendwann an den Punkt gekommen und habe mir klargemacht, dass es nur zwei Optionen gibt. Sich zu Hause einigeln, sich der Krankheit ausliefern und als Einsiedlerin enden oder aktiv zu werden, Spaß zu haben, am Leben teilhaben, feiern, Freunde treffen, reisen und alles Schöne mitnehmen, was das Leben bietet? Ich habe mich für Letzteres entschieden und sofort den Rollstuhl bestellt. Ich nutze ihn mittlerweile regelmäßig, zu Hause und bei kleineren Gehstrecken brauche ich ihn zum Glück nicht, bei größeren Unternehmungen geht es nicht mehr ohne.
Leben mit Multipler Sklerose und mit viel Spaß am Leben
Und im Prinzip hat sich nicht viel geändert, ich bin genauso aktiv wie früher und gehe zum Beispiel gerne essen, mit Freunden etwas trinken, mache Ausflüge und verreise viel. Viel mehr als zu Zeiten ohne Rollstuhl, weil ich mir für meine Reisen jetzt ganz bewusst die Zeit nehme und genieße. Ich war dieses Jahr vier Mal im Urlaub und es hat mir so richtig gut getan.
That´s what friends are for |
Und so kann ich tatsächlich sagen, dass sich mein Leben mit der Diagnose Multiple Sklerose zwar ganz drastisch geändert hat und ich viel einstecken musste, Rückschläge hatte und habe, einiges aber auch positiv ist. Ich habe angefangen, mich gesund zu ernähren, mache regelmäßig Physiotherapie (danke weltbester Physiotherapeut) und trainiere zusätzlich fast täglich zu Hause. Ich achte darauf, was ich esse, ausreichend zu trinken und habe mir einen Plan mit Vitaminen und Mineralien aufgestellt, die ich zusätzlich regelmäßig einnehme. Außerdem gibt es jede Menge kaltgepresster Säfte, das ist eine sehr wichtige Komponente für mich im Hinblick auf Multiple Sklerose. Seitdem ich mein Leben umgekrempelt habe, kann ich eine deutliche Verbesserung feststellen, es ging nach einer Weile wirklich wieder aufwärts. Ich bin fitter, wacher und bin nicht mehr so schnell erschöpft wie noch vor zwei Jahren. Ich versuche, mir das Leben durch viele kleine Änderungen einfacher zu machen, zum Beispiel habe ich einen Saugroboter, der hier seine Runden dreht oder smarte Technik, die ich per App ansteuern kann wie elektrische Rollläden.
Last but not least: Mein Rat an alle
Ich kann euch allen einfach nur ans Herz legen: Achtet auf euch, hört auf euren Körper, die innere Stimme und gönnt euch Ruhezeiten, wenn es sein muss auch richtige Auszeiten. Macht einfach mal spontan etwas, was euch Spaß macht. Egal ob mit Vorerkrankung oder nicht, jeder von uns hat auf irgendeine Weise ein Päckchen zu tragen und muss lernen, damit umzugehen und auf sich zu achten. Ich weiß mittlerweile aus Erfahrung, dass man auf kleine Warnzeichen nicht achtet, solange man gesund und fit ist. Das sollte man aber, es ist unheimlich wichtig, mal fünfe gerade sein zu lassen, mal an sich selbst zu denken und sich kleine Ruheinseln zu schaffen.
In dem Sinne - bis bald! Habt eine tolle Zeit!